Marcels Meinung
Zu den Folgen der Gründung des HV 2020 Münster
Wenn jetzt in den Westfälischen Nachrichten steht, dass mit dem HV 2020 Münster ein „leistungsorientierter“ Handballverein entstehen soll, kann man sich fragen ob die in der HSG verbleibenden Mannschaften künftig nicht leistungsorientiert trainieren und spielen werden. Und ob denn in der Vergangenheit nicht auch schon leistungsorientiert gespielt wurde? Und wird es andersherum beim HV 2020 nichts zu lachen geben, da die „Leistung“ im Vordergrund steht? Und überhaupt: Bleiben denn noch genügend Spieler übrig, wenn der HV 2020 Fahrt aufnimmt?
Das sind (fast) allesamt berechtigte Fragen. Versuchen wir uns an Antworten. „Leistung“ ist ein dehnbarer Begriff, man kann ihn unterschiedlich eng oder weit fassen. Unstrittig ist es eine Leistung, wenn Spielerinnen und Spieler ihr Bestes geben – vollkommen unabhängig von der Spielklasse. Ein Entwicklungsschritt eines vermeintlich „leistungsschwächeren“ Spielers kann eine viel größere Leistung sein als ein „Schrittchen“ eines talentierten Auswahlspielers. Eine Leistung kann der Zusammenhalt bei einer Niederlage sein oder die wertschätzende Anerkennung des Hobbies als Hobby. Da darf dann auch mal ein Training ausgelassen werden – ups. Oder etwa doch nicht? Man ist immer noch im Mannschaftssport, jeder gibt sein Bestes, jeder ist mitverantwortlich für den Gesamterfolg der Mannschaft. Auch wenn dieser vielleicht nicht an der Spielklasse gemessen wird!
Und dann gibt es noch die andere Leistungsseite: Die Bereitschaft auf bestimmte Dinge zu verzichten, noch härter als bisher zu trainieren um möglichst großen „zählbaren“ Erfolg zu erzielen. Mit der engen Leistungsorientierung ist vielleicht auch die Sorge verbunden, dass künftig jemand „Besseres“ auf der eigenen Position spielen könnte. Trainer von Jugendmannschaften kennen dieses Problem: Während bei den Minis und im Übergang in die E-Jugend Spieler weniger leistungsbezogen eingesetzt werden, alle sich überall ausprobieren sollen und die Entwicklung vor dem Ergebnis steht, ist spätestens in der D-Jugend „Schluss mit lustig“. Die Spieler selbst lesen die Tabellen und berechnen die Abstände zu den Tabellennachbarn. Im Training hat sich herauskristallisiert, wer am liebsten 5x in der Woche kommen würde oder wer zum Training eher widerwillig geschickt wird. Manche lassen am Wochenende den runden Geburtstag der Oma für ein Spiel „sausen“ und riskieren eine Enterbung, andere gehen lieber zu einem Garagenflohmarkt als zum Derby.
Kurz, man könnte sagen: es gibt Unterschiede. Und das ist natürlich auch gut und richtig so. Denn wir sind Menschen, keine Maschinen und die Motivlagen Handball zu spielen können sehr unterschiedlich sein. Was mache ich nun als Trainer, wenn ich all diese unterschiedlichen Wünsche, Hoffnungen, Ansprüche, Vorstellungen und Motive zusammenbringen muss? Im besten Fall habe ich mehrere Jugendmannschaften in einer Altersklasse, sodass ich nach Alter, Interessen und Motiven sortieren kann.
Absolut in der Bredouille ist der Trainer, wenn er mit „leistungsstarken“ Spielern gegen ebenso starke Gegner spielt und ein nicht unerheblicher Teil der Mannschaft auf der Bank sitzt und selbst nicht weiß, ob er überhaupt auf das Spielfeld möchte: zu blöd ist es, wenn ausgerechnet „ich“ die entscheidenden Fehler in der Partie mache. Spätestens dann, wenn diese Diskrepanz zum Normalfall mehrerer Spieler wird, besteht Handlungsbedarf.
Leider gibt es in der Regel zwei Muster:
- Die vermeintlich „leistungsschwächeren“ Spieler verlassen den Verein. Es macht einfach keinen Spaß mehr immer am „unteren“ Leistungsende zu stehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in einen anderen Handballverein oder Teamsport wechseln ist gering. Nicht wenige kamen schon verdrossen vom Fußball zum Handball, dieses weitere „Scheitern“ war dann vielleicht zu viel.
- Die vermeintlich „leistungsstarken“ Spieler wechseln in einen anderen Handballverein. Sollte dies mit erheblichen Mühen, z.B. Fahrzeiten, verbunden sein, hören einige Spieler frustriert auf und üben sich in ihren weiteren Talenten.
Über wie viele Spieler reden wir eigentlich, die in das letztere Muster fallen? Zwei bis drei pro Jahrgang? Und wie viele sind einem im Laufe der Jahre verlorengegangen? Zwei bis drei? Für unsere HSG könnte man sagen: so in etwa.
Das sind also gar nicht so viele Spieler, die der HV 2020 voraussichtlich ziehen wird - in einem Jahr mehr, in einem anderen Jahr weniger. So gesehen macht es unbedingt Sinn ein Differenzierungsangebot in der Stadt Münster anzubieten. Das ist es wohl, was der HV 2020 sein möchte. Hier können sich all diejenige austoben, die Lust haben sich dem Handball im hohen Maße zu verschreiben. Werden die Kooperationsvereine dadurch „ausbluten“? Voraussichtlich nicht. Entweder verliere ich die Spieler nach Muster 1 oder Muster 2. Nun besteht die Chance, Breitensport tatsächlich für die Breite in den Kooperationsvereinen anzubieten. Also müsste sogar eine Stärkung dieser Mannschaften erfolgen! Und das wollen wir: möglichst vielen Kindern und Jugendlichen den Reiz am Handball kennenlernen lassen.
Es ist einfach ein toller, emotionaler, vielseitiger, nie langweiliger und fairer Teamsport, egal in welcher Spielklasse man aufläuft...!!!
„Leistungsorientiert“ wurde also auch schon in der Vergangenheit gespielt und wird auch künftig gespielt werden. Im HV 2020 und in der HSG. Und zu lachen sollte man etwas in allen Spielklassen und Vereinen haben – sonst würde ich den Verein wechseln ;-)
Beste Grüße! Marcel